Mittwoch, 1. Juni 2011

Königsetappe, die 21.

Von Lesroy nach Klaipeda, 108 km, 5.49 Std. im Sattel

Die komplette Kurische Nehrung mit dem Fahrrad zu durchmessen hat schon was! Insgesamt sind das ca. 120 km, von denen wir heute auf 108 km unsere Treckings bewegten. Damit war das heute die längste Etappe. Und wir haben es beinahe nicht gemerkt. Denn 100 km schrecken uns nicht mehr! Wir sind trainiert und fit. Die Abfertigung an der russisch-litauischen Grenze ging zügig, an einen dt. Reisebus aus Bad Segeberg bin ich herangetreten mit der Aufforderung: "Hier ist jetzt die Deutsche Passkontrolle, her mit den Pässen!" Die haben sich ausgeschüttet vor Lachen. Den vorne sitzenden habe ich kurz unsere Tour erläutert und als ich mich dann verabschiedete griff die Reiseleiterin sofort zum Mikrofon und hat allen noch mal unsere Geschichte erzählt. Hansis Aufkleber mit der Internetadresse des Partnerschaftsvereins haben wir natürlich auch gleich mal überreicht. Wieder neue Fans gefunden! 4 km nach der Grenze bogen wir nach Nidda ab, Hansi hatte Kohldampf und ich radelte zum Thomas Mann Haus um das zu besichtigen. Kostet ja nur 1,20 Euro umgerechnet, ja umgerechnet. Dazu braucht man dann aber ein paar Litas. Wieder flirtete ein Geldautmat mit mir um mich dann schnöde zu versetzen, aber schon der 2. spuckte die gewünschte Menge bares aus. Aber zu spät für den Nobelpreisträger, der von 1930 -32 das Haus als seine Sommerresidenz nutzte, mit Blick von hoher Düne auf des Haff. Bei so einer Aussicht können einem Schriftsteller sicher gute Einfälle kommen. Noch auf russischer Seite haben wir Rossitten besucht. Mich interessierte, wie gestern schon erwähnt, die Vogelwarte. Haben wir auch tatsächlich gefunden, aber es gibt leider keine Besichtigungsmöglichkeit oder Informationen. In Nidda ist der R 1 auch wieder super ausgeschildert, allerdings heißt er hier 10. Ich hatte mir kurz vor der Grenze an einem russischen Rastplatz geräucherten Fisch gekauft für meine letzen Rubelchen, 180 an der Zahl, das sind ca. 4,50 Euro. Wie verhandelt man in so einer Situation? "Sprechen Sie Deutsch or english??" "Njet" Also die gesamte Barschaft vorzeigen, auf die Fische deuten und warten was passiert. Und siehe da, 2 ordentliche Kameraden der See verschwinden unverzüglich in einer Plastiktüte, mein Gesamtvermögen in Rubel verschwindet auch ganz hurtig. Mit einem freundlichen "Spassiwa" (=Danke) trennen sich unsere Wege auf Nimmerwiedersehen. Diese nun schon wieder auf dem Gepäckträger recht heiß gewordenen Köstlichkeiten, von Hansi zum meinem Glück naserümpfend verschmäht, wollen dann alsbald verzehrt werden. Ich w i l l in der Ostsee schwimmen, die Räucherlinge verzehren und im noch heißeren (als gestern) Sand liegen. Aber der R 1 oder jezt 10 führt uns auf der Haffseite voran. Wo keine Ostsee ist aber ein Haff, da wird der Kohldampf Sieger über die Vorsätze und schon reißt es meinen Lenker nach rechts bis ans Haffwasser. Hansi versinkt sofort nicht im Wasser, aber in tiefem Schlummer, ich will mich erst mal abkühlen und taste mich ins kühle Element. Und taste und taste mit den Füßen über 200 m geradeaus und mein, ja wie soll ich sagen, unterer Teil des Körpers bis zur Mitte ungefähr ist gerade mal mit Wasser bedeckt. Da heftiger Wind weht, natürlich aus Westen, was sonst, ist die Sicht ca. 10 cm im Wasser. Der Sand ist total aufgewirbelt. Na gut, nicht schwimmen und an Land die herrlichen Räuchererzeugnisse verputzen. Das wurde auch Zeit, es war schon 15.00 Uhr. Hansi drängte dann zum Aufbruch und ich schickte ihn schon mal vor, holte ihn aber auf den nächsten km nicht ein. Der R 1 oder 10 schlängelte sich durch die Dünen, überquerte die Hauptstr. Richtung Ostsee und so holte ich Hansi gar nicht mehr ein, denn das kühle, erfrischende Bad ließ ich mir nicht entgehen. Feinster Sand, über 30 Grad, kein Wölkchen am Himmel und ich bis zum Hals in den Wellen, allein auf weiter Flur. Der Traum schlechthin!!! Hansi kopfschüttelnd: " Wie kann man in so ein eiskaltes Wasser gehen?" Kurze tel. Absprache mit Hansi, er ist kurz vor der Fähre nach Klaipeda, früher Memel. Ich habe noch ca. 25 km. Um 18.33 Anruf von Hansi. "Die letzte Fähre geht um 19.00 Uhr, wo bist Du?" Ich habe noch genau 15 km, also reicht ein Schnitt von 30 km/h nicht aus. Aber ich kann mich mal richtig austoben und es versuchen... 14 Min. halte ich ein Tempo von über 30, aber die Dünen rauf und runter kosten Kraft, es wird nicht langen. Anruf Hansi. "Ich glaube, um 19.15 geht noch ne Fähre." Na dann, etwas Power rausnehmen und um 19.08 Uhr schieben wir unsere Friedensreiter-Drahtesel mit 100 anderen auf das schwimmende Deck. Es läuft einfach alles rund. Inzwischen hat Hansi auch entdeckt, dass es noch spätere Fähren gibt... Ich hatte ihn ausgiebig informiert, dass in Ostpreussen auch Elche ihre Fährte ziehen, die Forstämter Elchwald und insbesondere Rominten waren für ganz starkes Rotwild und auch Elche bekannt. Einem Jäger ein unerschöpfliches Thema, aber nur einem Jäger... "Hansi, auch auf der Nehrung gab (vielleicht gibt) es Elche!" Meine Augen jedenfalls waren immer in die Büsche gerichtet. Und was wiederfährt dem Nichtjäger bei seiner Alleinfahrt??? Eine Elchkuh samt Schmaltier (Kalb vom Vorjahr) stehen 10 m vor ihm, das Alttier geht hochflüchtig vor seinem Fahrrad auf die andere Seite, das Schmaltier hinter ihm. So anschaulich, wie er mir das berichtete scheint das kein Jägerlatein zu sein! Es gibt Sachen... Um 20.00 Uhr erreichten wir unser Hotel, so spät wie noch nie auf der Tour. Bei herrlich warmer Luft haben wir in der Stadt draußen in einem Biergarten gespeist und Hansi war so fertig, dass er nun schon seit 1,5 Std. schnarcht, dass die Heide wackelt! Er stellt morgen früh Bilder ein. Ich schieb mich nun auch langsam in die Deckung ein. Morgen ist ein gemütlicher Tag, denn wir hatten ja für alle Fälle einen Reservetag eingebaut, den wir gar nicht brauchten. Es gab keine zeitverzögernden Zwischenfälle. Und dann sind es noch 70 km bis ans Z I E L !!!!!!!! Rietavas, wir kommen am Donnerstag, macht schon mal ein Fass auf!!! Seid alle herzlichst gegrüßt.

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